Das Konzept

Vermittlung von Grundlagen und Perspektiven

Die Aufgabe der Einrichtung ist die Förderung von Kindern und Jugendlichen in ihrer Persönlichkeitsentwicklung und die Vermittlung von Grundlagen und Perspektiven für ihr weiteres Leben. Es sollen im Folgenden nicht pädagogische Allgemeinplätze wiederholt werden. Der Blick soll sich nur richten auf das Spezifische, das wirklich Besondere, was die Schultz-Hencke-Heime leisten deutlich über die pädagogische Grundversorgung hinaus.

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Einleitung

Wenn im Folgenden von der Wiederherstellung des Lern-, Leistungs- und Arbeitsvermögens die Rede ist, so bedeutet das nicht, dass wir uns ausschließlich auf die Wiederherstellung der Leistungsfähigkeit konzentrieren, sondern nur, dass wir die Wiederherstellung der Leistungsfähigkeit nutzen für die Konsolidierung der Persönlichkeit des uns anvertrauten jungen Menschen.

Die Einrichtung widmet sich denjenigen Kindern und Jugendlichen, die über die üblichen Schwierigkeiten hinaus, die zu einer Hilfe zur Erziehung führen, unter so gravierenden Schulschwierigkeiten leiden, dass eine erfolgreiche Persönlichkeitsentwicklung deutlich gefährdet oder gar auszuschließen ist.

Sie widmet sich denen, die den Anforderungen von Elternhaus, Schule und Gesellschaft in sozialer und leistungsmäßiger Hinsicht nicht genügen, obwohl sie über eine entsprechende Begabung verfügen.

Das Schüler-Sein ist der eigentliche Beruf des Jugendlichen, Lernen seine eigentliche, quasi berufliche Tätigkeit. Schon bei Erwachsenen führt beruflicher Misserfolg oder Arbeitslosigkeit (die dann häufig genug als Folge des Misserfolgs bzw. des Ungenügens erlebt wird) zu erheblichen Beeinträchtigungen des Selbstwertempfindens und der seelischen und körperlichen Gesundheit. Jugendliche, die sich noch in der Orientierung befinden, sind ungleich gefährdeter. Das Erlebnis des Versagens in der Schule führt in der Regel dazu, dass der junge Mensch beginnt, sich als Person als dumm und als geringwertig zu begreifen. Wir erleben häufig, dass so versagende Jugendliche die Erwachsenen als Gegner sehen und sich einer Einflussnahme von deren Seite entziehen. In ähnlicher Form wehren sie das Angebot psychotherapeutischer Behandlung ab.

Wenn es einem jungen Menschen nicht gelingt, die in ihm liegenden Fähigkeiten zu Fertigkeiten auszubilden, ist er in seiner Entwicklung gefährdet.

Wir wollen den Jugendlichen wieder zurückführen zum Erlebnis der eigenen Lern-, Leistungs- und Arbeitsfähigkeit, zum Erlebnis der eigenen Begabtheit und des Erfolgs, um ihn als Erfolgreichen wieder einzubinden in Elternhaus, Schule und Gesellschaft, aus denen er versagend und resignierend auszuscheiden droht.

Das diesem Vorhaben zugrunde liegende Konzept ist die in der Einrichtung entwickelte Lernpsychotherapie.

Die Idee der Lernpsychotherapie

Die in der Einrichtung entwickelte und in der Arbeit immer wieder modifizierte Idee der Lernpsychotherapie geht aus von der einfachen Alltagserfahrung, dass auch Jugendliche mit massiven Verhaltens- und Schulproblemen aufzuschließen sind darüber, dass man ihnen wieder Zugang verschafft zu der in ihnen liegenden Begabung und ihnen dabei hilft, ihre Noten zu verbessern und die Aussicht auf einen Schulabschluss wiederzugeben.
Sie findet ihr Feld in der Divergenz zwischen Fähigkeiten und ausgebildeten Fertigkeiten und der sich daraus ergebenden entwicklungs­irritierenden Spannung. Sie sucht die Ressourcen des Jugendlichen zu erschließen. Sie sucht bei den Jugendlichen Vertrauen in die eigene Leistungsfähigkeit zu entwickeln, pathologische Ängste vor Misserfolg und Versagen abzubauen und das Selbstwertgefühl zu stärken. Sie sucht das Scheitern in der Schule in Erfolg zu verwandeln.
Sie arbeitet nicht mit der Krankheit der Kinder oder mit ihren Defiziten, sondern mit ihren Fähigkeiten.
Sie sucht die therapeutische Wirkung systematisch und gezielt hervorzurufen, die sich aus der Wiederherstellung des Lern-, Leistungs­und Arbeitsvermögens ergeben kann.
Lernpsychotherapie findet nicht in einem zeitlich umrissenen Rahmen in Form von Einzel- oder Gruppensitzungen statt. Sie ist so pädagogisches Handeln mit therapeutischer Wirkung. Sach- und fallbezogen nutzt sie Erkenntnisse und Elemente aus verschiedenen therapeutischen Richtungen, z.B. der Psychoanalyse, der Verhaltenstherapie, der Gesprächspsychotherapie, der systemischen Familientherapie usw. In besonderen Einzelfällen kann ihr eine begleitende Einzelpsychotherapie an die Seite gestellt werden, die dann außerhalb des Hauses in einer anerkannten Praxis durchgeführt wird.

Lernpsychotherapeutische Methode

Lernpsychotherapeutische Grundsätze bestimmen unsere Arbeit in jedem Teilbereich, sowohl in der angestrebten sozialen und familiären Einbindung des Kindes als auch in der Gestaltung und Organisation des Alltags als auch in den freizeitpädagogischen Verrichtungen als auch im unterrichtlich schulischen Lernen. Erst die Verbindung der Arbeit auf all diesen Gebieten kann die von uns beabsichtigten Wirkungen ergeben.

Lerntherapeutische Förderung

Die Kinder und Jugendlichen, die zu uns kommen, sind in der Regel in schulischer Hinsicht „misserfolgserfahren“, ihr schulischer Werdegang ist geprägt u. a. von häufigem Schulwechsel, Sitzen bleiben, von z. T. monatelangem Schulschwänzen, fachlichen Defiziten, Lernängsten, Lernblockaden, Arbeits- und Leistungsverweigerung, Problemen im Lese- und Rechtschreibbereich oder auch in der Mathematik.
Die schulischen Rückstände betragen in der Regel ca. 2 bis 5 Schuljahre. Die Kinder und Jugendlichen erleben sich als Versager und begreifen sich auch so. Mitunter kompensieren sie ihr Versagen durch soziale Unverträglichkeit und Größenphantasien. Es ist notwendig, das negative Selbstkonzept abzubauen und sukzessive durch ein positives zu ersetzen.

Schulversagen an öffentlichen Schulen besteht darin, dass eine Leistungsnorm nicht erfüllt wird.

Diese Norm wird gebildet aus

  • den Anforderungen des Lehrplans
  • den Leistungen der Vergleichsgruppe, d. h. der jeweiligen Schulklasse.

Die Beurteilung der Leistung durch Benotung suggeriert nicht nur die überindividuelle und scheinobjektive Vergleichbarkeit der Leistungen, sondern fordert sie geradezu heraus. Die Schüler fühlen sich darüber hinaus nicht nur hinsichtlich ihrer Leistungen beurteilt, sondern vielmehr als Person bewertet. Wir Erwachsenen kennen das auch aus dem Berufsleben.

Dauerhaft schlechte Noten wirken sich aus

  • auf die Lernmotivation
    „Mir gelingt ja gar nichts!“
  • auf das Selbstbewusstsein
    „Ich kann nichts, ich bin ja dumm!“
  • auf die sozialen Bezüge
    „Ich bin ja eh das schwarze Schaf!“, „Ich bin der Schlechteste!“, „Was soll nur aus Dir werden?“, usw.
  • auf die Einstellung gegenüber der eigenen Lebensplanung
    „Ich schaffe eh keinen Schulabschluss, bekomme keine Ausbildungsstelle, keinen Arbeitsplatz.“

Kinder- und Jugendliche, die schon durch andere Umstände, Irritationen, Konflikte (Trennung, Scheidung, Angst, soziale Isolation, Krankheit u. ä.) belastet sind, zeigen sich als hierfür noch erheblich anfälliger als andere.

Misserfolg zeugt neuen Misserfolg.

Erfolg hingegen beflügelt und begünstigt weiteren Erfolg.

Dafür ist es notwendig, ein Lernumfeld zu schaffen, in dem weiteres Schulversagen unmöglich ist, kein Konkurrenzdruck gegenüber anderen Schülern besteht, wirklicher Erfolg erzielt und gewürdigt werden kann. Wie ist so etwas möglich?

Jede Teileinrichtung hat eine Art eigener Heimschule im Haus bzw. auf dem Gelände, in der in Unterrichtsgruppen von etwa 6 Kindern und Jugendlichen gearbeitet wird.

In den Unterrichtsgruppen gelten folgende Prinzipien:

  • parallel organisierter Einzelunterricht in altersheterogen zusammengesetzten Lerngruppen
  • Unterricht nach dem Ein-Lehrer-Prinzip
  • Aussetzen des Konkurrenzprinzips
  • Individualisierung der Anforderung und der Methodik: Für jedes Kind wird der Unterricht
  • individuell nach Maßgabe der jeweiligen Leistungsfähigkeit geplant und durchgeführt.
  • Individualisierung des Lerntempos
  • Individualisierung des Stundenplans und der Stoffverteilung
  • individualisierte Würdigung und Bewertung der Lernfortschritte
  • individuell abgestimmter Reintegrationsplan
  • Aussetzen der Vergleichbarkeit: keine Notenbewertung, keine Klassenarbeiten als Leistungskontrollen, kein „Sitzen bleiben“
  • Förderung der Selbständigkeit
  • Einsatz motivierender Medien
  • regelmäßige gemeinsame Planung und Auswertung des individuellen Unterrichtsverlaufs mit dem jeweiligen Kind bzw. Jugendlichen

Wir unterscheiden in vier Phasen der lerntherapeutischen Förderung:

Motivationsphase

In der Motivationsphase soll das Kind bzw. der Jugendliche die in ihm liegende Begabung wiederentdecken und von seiner eigenen Lern- und Leistungsfähigkeit überzeugt werden. Es gilt die Freude wieder zu wecken, die aus dem Erlebnis eigenen Könnens entsteht.

Aufholphase

In der Aufholphase werden die fachlichen Defizite aufgearbeitet, ohne dass ein nicht aushaltbarer Zeitdruck entsteht. Die Zielsetzung ist transparent, eine Rückmeldung erfolgt stetig und die einzelnen Lernschritte sind durchsichtig und nachvollziehbar sinnvoll.

Reintegrationsphase

Die Reintegrationsphase beginnt mit einem teilweisen oder auch gleich gänzlichen Unterrichtsbesuch in einer in Abstimmung mit der entsprechenden Schule ausgewählten Klasse. Der junge Mensch wird weiterhin von seinem Lehrer begleitet und geführt. Er erledigt unter seiner Anleitung die Hausarbeiten, bereitet Referate und Arbeiten vor, erhält zusätzliche Förderung. Die gesamte Arbeit zielt ab auf den Erfolg, die schulische Reintegration. Diese ist nach unserer Erfahrung frühestens nach 12 Monaten erfolgreichen Regelschulbesuchs als gelungen zu betrachten.

Stabilisierungsphase

Die Stabilisierungsphase ist von großer Bedeutung, um eine nachhaltige Wirkung der Lernpsychotherapie zu sichern und Rückfälle auszuschließen. Dabei ist es wichtig, dem Kind erhöhte Aufmerksamkeit, Anerkennung und weitere Erfolgserlebnisse zu vermitteln.

Allgemeiner pädagogischer Rahmen

Der allgemeine pädagogische Rahmen ist durch einige Vorgaben bestimmt. Der Tagesablauf ist klar strukturiert. Ordnung und Rhythmus bestimmen ihn.

Die Aufgaben des Jugendlichen und die Ziele seiner Unterbringung sind eindeutig vorgegeben. Das ermöglicht Orientierung. Die Erwachsenen führen hin zu diesen Zielen. Je nach Alter und Erziehungsbedarf des Jugendlichen werden Fürsorge und Führung unterschiedlich stark gewichtet. Ziel ist eine Entwicklung von Führung und Kontrolle durch den Erwachsenen hin zur Selbststeuerung und Selbstkontrolle des jungen Menschen. Die Erwachsenen haben eine reine Erziehungsaufgabe, sie ersetzen nicht die Eltern. Dies bestimmt Möglichkeiten und Grenzen auch der Beziehung zu den anvertrauten Jugendlichen. Dies ist jedoch ein Rahmen, in dem Beziehungsfähigkeit geübt werden kann.